Der Reis


Stärke ist neben Zucker das wichtigste Kohlenhydrat für die menschliche Ernährung. In Kalorien ausgedrückt wird 70-80% der menschlichen Ernährung von Kartoffel, Yams und Cassava sowie den drei Getreidearten Weizen, Reis und Mais bestritten. Aus rohen Cerealien (Getreide) gewonnene Stärke wird vom menschlichen Organismus nur teilweise verdaut. Sie muss daher vor dem Verzehr durch Temperaturbehandlung in feuchter Atmosphäre aufgeschlossen werden. Hierfür gibt es grundsätzlich zwei Verarbeitungsprozesse: das Vermahlen der Körner zu Mehl und dessen Weiterverarbeitung zu Brot oder Teigwaren oder der Verzehr der zuvor gekochten ganzen Körner (Reis, Graupen aus diversen Getreiden), bzw. vorbehandelten Körner (Couscous, Bulghur).

Der Mehlgürtel bedeckte ehemals wie ein geschlossenes Band die nördliche Hemisphäre von Nordamerika über Europa, den mittleren Osten, Nordindien, Westasien bis hin zum nördlichen Teil von China. Südlich schloss sich daran der Körnergürtel an. Von Nordkorea, Japan und Südchina, über Südostasien bis nach Südindien, wo das gekochte Reiskorn das Grundnahrungsmittel bildete. Heute sind die Grenzen verwischt. Brot und Nudeln sind auch in Südasien verbreitet, obwohl dort immer noch Reis das Hauptnahrungsmittel darstellt. Reis wird heute in der ganzen Welt verzehrt, der Anbau erfolgt auch in der Mittelmeerregion, dem südlichen Teil Nordamerikas und Australien.









1. Das Reiskorn

Reis (Oryza) ist ein einjähriges Rispengras, von dem etwa 20 Arten bekannt sind. Davon werden aber nur 2 Arten in großem Umfang zur menschlichen Ernährung genutzt:

Abbildung 1
Querschnitt durch ein Reiskorn.

Oryza glaberrima, eine ursprünglich im Flussdelta des Niger beheimatete Art, breitete sich zwischen 1500 v. Chr. Bis 500 v. Chr. vom Ursprungsgebiet bis nach Senegal aus, wurde aber teilweise wieder durch asiatische Arten zurückgedrängt.

Oryza sativa stammt von den Hängen des Himalaya. Vor mehr als 6000 Jahren in Kultur genommen, entwickelte sich auf der chinesischen Seite die Unterart Orya sativa japonica und auf der indischen Seite die Unterart Oryza sativa indica. Eine dritte Unterart, Oryza sativa javanica wird nur in Indonesien angebaut. Im Laufe der Jahrtausende wurden aus diesen Unterarten unzählige Sorten gezüchtet. Das Internationale Reis Forschungs Institut (IRRI) auf den Philippinen hat mehr als 83.000 Sorten in seiner Gendatenbank gespeichert. Davon werden weltweit mehr als 2.000 Sorten in großem Umfang genutzt.

Reissorten vom Indica-Typ mit unbegrannten, etwas kleineren schlanken länglichen Körnern, sind an die tropischen Klimazonen (Indochina, Thailand, Indien, Pakistan, Brasilien, Süden der USA) angepasst. „Indica-Reis“ bricht leichter und kocht locker ohne zu verkleben. Reissorten vom Japonica-Typ, mit begrannten, größeren, rundlichen Körnern, werden in den gemäßigteren Klimazonen (Korea, Japan, nördliches China, Australien, Kalifornien, Mittelmeerraum) kultiviert. „Japonica-Reis“ zeigt weniger Risse und ist weniger bruchanfällig. Das gekochte Korn ist klebrig und feucht.

Das vom Halm getrennte Korn, der sog. Paddy-Reis, wird von den Spelzen, zwei harten, unverdaulichen und im wesentlichen aus Zellulose und Kieselerde bestehenden Halbschalen umhüllt. (Bild 1.1). Nach deren Entfernung erhält man den Braunreis (Vollreis, Cargo Reis), der wegen seines Fettgehaltes nur begrenzte Zeit lagerfähig ist. Seine äußere Hülle besteht aus mehreren Schichten von Kleie, den sog. Silberhäutchen. Sie sind der nährstoffreichste Teil des Reiskorns, enthalten sie doch neben Faserstoffen, Vitamine, Spurenelemente, Fett und Eiweiß. Nach dem Abschleifen der Silberhäutchen, dem Entfernen des Keimlings und nachfolgendem Polieren des Korns verbleibt das sog. Endosperm des Reiskorns in Form von Weißreis. Das Endosperm ist der Nahrungsspeicher für den Embryo während der Keimphase des Reiskorns. Weißreis enthält fast keine Nährstoffe mehr und besteht fast nur noch aus Stärke. Daher ist er auch über mehrere Jahre lagerfähig.

Viele Reissorten bilden das sog. kreidige oder Kalkkorn aus, eine Eigenschaft die bei den meisten Sorten unerwünscht ist, da sie zu einer erhöhten Bruchanfälligkeit und geringeren Ausbeuten bei den Mühlenprozessen führt. Der Name rührt von den milchigweißen, undurchsichtigen Bereichen in dem ansonsten transparent wirkenden Reiskorn her.

Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop (Bildquelle: Yanco Agricultural Institute, Australien) zeigen die Oberfläche eines Querschnitts jeweils durch ein durchscheinendes (a) bzw. kalkiges Korn (b). Im durchscheinenden Korn (a) sind die Zellen ebenso wie die Zellinhalte (Amyloplaste) dicht gepackt. In kalkigen Bereichen (b) erkennt man einen unorganisierten Zellaufbau mit vereinzelten, deformierten Stärkekörnern sowie große Hohlräume. Diese bewirken eine modifizierte Brechung des Lichtes. Optisch sind sie daher als weiße Gebiete im Reiskorn erkennbar die aber beim Kochen verschwinden. Die kalkigen Bereiche beeinflussen weder Geschmack noch Aroma des Reises wohl aber dessen Kochqualität. Die Anfälligkeit zur Ausbildung von Kalkkorn ist genetisch bedingt und wird durch witterungsbedingte Störungen bei der Kornentwicklung noch verstärkt. Durch züchterische Maßnahmen versucht man die Neigung zur Bildung von Kalkkorn zu verringern. Erwünscht ist das Kalkkorn bei Reissorten die zur Zubereitung von Risotto dienen da es beim Garen große Mengen an Flüssigkeit aufnimmt und sich mit einer cremigen, stark amylosehaltigen Flüssigkeit umgibt.


Abbildung 2
REM-Aufnahmen von der Bruchfläche eines Reiskorns.
a) im transparenten Bereich des Korns sind die Stärkekörner von regelmäßiger Form und dicht gepackt.

b) Im kalkigen Bereich wirken die Stärkekörner wie loses Schüttgut. Zusätzlich durchziehen große Hohlräume den kalkigen Bereich.

Bildquelle: YAI
Transparentes und kalkiges Reiskorn.jpg

Schnelle Temperaturänderungen verursachen Risse im Reiskorn, die im Extremfall bis zum Bruch des Korns führen. Diese Risse treten beim Trocknen nach der Ernte, bei allen Mühlenprozessen durch mechanische Beanspruchung und Temperaturänderungen auf. Ja selbst auf dem Halm neigt das erntereife Korn beim Auftreten trockener Winde zur Rissbildung.

Da gebrochene Körner vermehrt Amylose ausschwemmen und dadurch den gekochten Reis klebrig machen, ist ein geringer Gehalt an gebrochenen Körnern ein Qualitätsmerkmal für Reis.



2. Reissorten


Nach den   Richtlinien   des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) [1] wird vollständig geschliffener Reis in Deutschland in 4 Klassen angeboten:

Rundkornreis: Reiskorn mit einer Länge von maximal 5,2 mm und einem Längen/Breiten-Verhälnis kleiner 2. Es hat einen kalkigen Kern, gibt beim Kochen viel Stärke ab und wird dadurch klebrig und weich.

Mittelkornreis: Reiskorn mit einer Länge von 5,2 mm bis 6,0 mm und einem Längen/Breiten-Verhälnis kleiner 3. Es hat einen kalkigen Kern und wird beim Kochen weich.

Langkornreis (Japonica):Reiskorn mit einer Länge von mehr als 6,0 mm und einem Längen/Breiten-Verhälnis von mehr als 2 und weniger als 3. Japonica-Reis hat einen harten und glasigen Kern. Gekocht ist er klebrig und feucht.

Langkornreis (Indica): Reiskorn mit einer Länge von mehr als 6 mm und einem Längen/Breiten-Verhälnis von 3 oder mehr. Indica-Reis hat einen harten und glasigen Kern. Gekocht ist er trocken, locker und körnig.

Dahinter verbergen sich aber eine Unzahl von Sorten, Arten und Verarbeitungsstufen:

Ehemals kam ein Großteil des nach Europa exportierten Reises aus dem Distrikt um die indische Stadt Patna. Patnareis wurde zum Synonym für langkörnige Reissorten aus diesem Gebiet. Er ist ein Verwandter des Basmatireises, besitzt aber nicht dessen Duftnote.

Duftreis. Sammelbezeichnung für alle Reissorten, die beim Kochen einen Geruch verströmen, der an das Rösten von Popcorn erinnert. Es handelt sich dabei um den auch bei Back- und Bratvorgängen auftretenden Aromastoff 2-Acetyl-1-Pyrrolin (ACPY), der nicht nur in den Reiskörnern sondern in der ganzen Pflanze vorkommt. Während der Wachstumsperiode riecht auch das Reisfeld nach ACPY. Die bekanntesten Vertreter sind der Basmatireis und der Jasmin- oder Thai Reis.

Basmatireis ist die Verbraucherbezeichnung für Reissorten, die aus der südlich des Himalayamassivs gelegenen indogangetischen Ebene stammen. Diese Sorten besitzen ein schlankes Korn, das sich beim Kochen wesentlich stärker in Längsrichtung als in Querrichtung ausdehnt. Basmatireis kocht kernig, trocken, locker und ververklebt nicht. Er ist zur Zubereitung Indischer Gerichte besonders gut geeignet.

Stammvater des Jasminreises ist eine dunkelfarbige, sehr weich kochende Reissorte, die aus einem eng begrenzten Gebiet Zentralthailands stammt und bestenfalls lokale Bedeutung hatte, da die thailändische Bevölkerung fester kochende Sorten bevorzugte. Ab den 70iger Jahren wurden züchterisch bearbeitete, etwas fester kochende Sorten zum Exportschlager. Das längliche Korn des Jasminreises enthält weniger Amylose als normaler Langkornreis und kocht daher weicher und etwas klebriger.

Risottoreis. Sammelbegriff für Reissorten, die zur Zubereitung von Risotto besonders geeignet sind wie die ital. Sorten Carnaroli, Barolo, Vialone, oder auch Arborio. Allen gemeinsam ist ein großes, rundes Korn mit milchig weißem Innenkern. (Kalkkorn). Es nimmt beim Garen große Mengen an Flüssigkeit auf und umgibt sich mit einer cremigen, stark amylosehaltigen Flüssigkeit. (Siehe auch Risotto).

Bei Milchreis handelt es sich üblicherweise um italienischen Rundkornreis. Er hat ein kurzes, dickes, fast rundes Korn. Im deutschsprachigen Raum wird er bevorzugt zur Zubereitung von Reisbrei verwendet. Beim langsamen Garen in Milch umgeben sich die weich kochenden, kalkigen Körner ähnlich wie bei der Zubereitung eines Risottos mit einer cremigen, gut haftenden Flüssigkeit.

Mit Klebreis (waxy rice, glutinous rice, sweet rice, sticky rice) werden Amylosearme (ca. 1%) Reissorten bezeichnet. Sie kommen sowohl bei den Indica- als auch bei den Japonica-Sorten vor. Ihr milchig-weißes, kalkiges Korn ist im gekochten Zustand sehr klebrig und feucht. Klebreis wird üblicherweise zur Zubereitung von Reiskuchen und den unterschiedlichsten Desserts verwendet.

Beim Cargo-, Braun-, Natur- oder Vollkornreis wurden nur die Spelzen entfernt. Die Kleieschicht (Silberhäutchen), die als Barriere für die Wasseraufnahme wirkt, ist noch vorhanden. Das für die Verkleisterung der Stärke benötigte Wasser kann nur sehr langsam eindringen, was die lange Gardauer von ca. 3/4 h erklärt. Mehrstündiges Einweichen ist daher sinnvoll, um die Kochzeit zu verkürzen. Die Farbe der Kleieschicht ist sortenabhängig. Sie variiert von hell- bis dunkelbraun, rot, purpur oder schwarz. Das Endosperm ist aber immer weiß.

Gelegentlich findet man grüne Körner im Braunreis. Es handelt sich dabei um nicht voll ausgereifte Körner bedingt durch ungleichmäßige Reife einer Sorte oder Vermischung unterschiedlicher Sorten mit unterschiedlichen Reifeterminen auf dem gleichen Feld.

Braunreis schmeckt gehaltvoll, nussig-kräftig Aufgrund seines Feuchteanteils neigt Braunreis trotz des geringen Fettgehalts (ca. 2% in den Silberhäutchen) durch die Bildung freier Fettsäuren zum Ranzigwerden. Damit verbunden ist ein bitterer Geschmack.

Roh- oder Paddy-Reis wird von den äußeren Spelzen und 3 Kleieschichten (Silberhäutchen) umhüllt. Diese 4 Schichten enthalten wichtige Nährstoffe, insbesondere Mineralien und den Vitamin B-Komplex. Beim Parboil-Verfahren wird das noch bespelzte Reiskorn nach längerem Einweichen unter Druck gedämpft. Dabei wandert ein großer Teil der wasserlöslichen Vitamine und Mineralien aus dem Silberhäutchen in das Endosperm. Gleichzeitig wird oberflächennahe Stärke des Endosperms verkleistert bzw. gehärtet. Hierdurch wird die Ausscheidung von Stärke und das dadurch bedingte Verkleben der Körner beim Kochen verringert. Außerdem ist Parboiled Reis weniger bruchanfällig. Eventuell vorhandene Risse werden geschlossen. Der so vorbehandelte Parboiled Reis (engl. Converted rice) wird nach dem Trocknen wie normaler Reis weiterbehandelt. Die meisten Reissorten sind heute als Parboiled Version erhältlich. Parboiled Reis wird wegen seiner Widerstandsfähigkeit bevorzugt zur Herstellung von Fertiggerichten verwendet.

Erfunden wurde das Parboil-Verfahren von dem deutschen Emigranten Erich Gustav Huzenlaub Ende der 30ger Jahre in England. Erstmalig in großem Umfang eingesetzt wurde es im II. Weltkrieg zur Versorgung der US-Truppen mit Weiß-Reis, der in etwa Vitamin- und Mineralgehalt von Braunreis aufwies, widerstandsfähig gegenüber Insektenbefall (Rüsselkäfer) war und auch bei längerem Kochen nicht verklebte.

[1]   Richtlinie für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Reis, Naturreis und Bruchreis. BLL. Berlin, Juni 2015